Wie Ertrinken ohne unter Wasser zu sein…

Kehlkopf in Atemposition_Bild Dr. med. E. Blaschek.jpg„Über das Atmen denkt man kaum nach, aber wenn der Hals urplötzlich zumacht und ich kaum mehr Luft bekomme, dann setzt Panik ein!“

Das Störungsbild ILO (inducible laryngeal obstruction) ist selbst unter Ärzt:innen wenig bekannt. So haben viele Patient:innen bereits eine Odyssee an Arztbesuchen und erfolglose Behandlungsversuche hinter sich. Asthmasprays wie auch andere Medikamente bieten keine ursachengerechte Behandlung. Die Beschwerden werden von Hausärzt:innen häufig als psychogen bagatellisiert. Einer meiner jugendlichen Patienten, nennen wir ihn Jan, wurde von seinen Lehrer:innen wiederholt auf die Notfallstation gebracht, weil er akute Atemnot mit deutlich hörbarem, inspiratorischem Stridor aufwies. Jan war dabei deutlich weniger gestresst als seine Lehrer:innen, die glaubten, dass er gleich ersticken werde: „Ich wusste ja aus Erfahrung, dass die Atemnot wie aus dem Nichts auftaucht und genauso kurz danach wieder verschwindet.“

Die Entstehung und die Ursachen einer ILO sind noch nicht in allen Details erforscht. Es ist aber klar, dass es sich keineswegs um eine psychogene Störung handelt. Vielmehr kennt man heute verschiedene prädisponierende Faktoren wie eine gereizte Kehlkopfschleimhaut, ausgelöst durch Reflux oder chronischen Schnupfen, der in den Hals tropfen kann. Auch anatomische Faktoren wie ein enger, meist weiblicher Kehlkopf, oder ein niedriger Tonus der Kehlkopf-Muskulatur sind bekannte Voraussetzungen für eine akuten „Krampf“ im Kehlkopf. Ausgelöst wird die Atemnot durch bestimmte Trigger wie Parfum, Gase, Reinigungsmittel, Zigarettenrauch, Kälte oder erhöhte Atemfrequenz bei körperlicher Belastung. Die Verengung der Atemwege kann auf Ebene der Stimmlippen oder auf Höhe des Kehlkopfeingangs erfolgen. Die Diagnosestellung erfolgt idealerweise durch eine Lupenuntersuchung des Kehlkopfinneren während eines provozierten Anfalls. Viele Betroffene sind bereits durch eine ausführliche Aufklärung, was im Moment der Atemnot passiert, entlastet. Auch Tricks, die rasch wieder eine ausreichende Versorgung mit Luft ermöglichen, helfen. So ist beispielsweise das Ausatmen auf den Laut F, gefolgt von langsamer Nasenatmung oder bestimmte atemerleichternde Körperhaltungen nützlich. Panikartig reagieren die Menschen häufig kontraproduktiv mit Hyperventilation oder Schlägen auf die Brust, denn gemäss einer Patientin fühlt es sich an wie Ertrinken ohne unter Wasser zu sein. Meist ist nur eine logopädische Intervention von wenigen Stunden nötig, damit die betroffenen Kinder oder Erwachsenen Werkzeuge erhalten, um ihre kurzzeitig entgleisende Atmung wieder zu normalisieren.

Die erfolgreiche Mountainbike-Fahrerin Jolanda Neff leidet an einer unter Spitzensportlern häufigen Form von ILO. Die durch hohe Atemfrequenz getriggerte Kehlkopfenge wird exercise-induced laryngeal obstruction oder EILO genannt. Sie betonte im Schweizer Fernsehen, dass logopädische Therapie nachweislich die einzige erfolgreiche Therapiemethode für ILO oder EILO darstellt.

Sabina Hotzenköcherle, Klinische Logopädin MSc

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